Gedankenbrise - Die Kraft des Geschichtenerzählens
Ich liebe Geschichten. Ob aus einem (Bilder-) Buch, in Form eines Zitates, eines Gedichtes, einer Kurzgeschichte, eines Bildes oder einer Erzählung – sie ziehen mich in den Bann. Die Menschheit erzählt sich seit jeher Geschichten…
…denn Geschichten lösen Emotionen aus. Sie ermöglichen uns auf einfache Art und Weise, unsere eigenen Erfahrungen mit dem Inhalt zu verbinden und uns in der Erkenntnis der Geschichte wiederzuerkennen. Sie geben einen Anstoss zur Reflexion der eigenen Einstellungen, Gedanken und Erlebnissen. Eine gute Geschichte öffnet (oder verändert) unser Blick für die persönlichen Fragen des Lebens. Sie inspiriert, berührt und bewegt.
Gedankenbrise #1: Der Bauer und das Pferd
Der Bauer und das Pferd
Eine alte chinesische Geschichte erzählt von einem Bauern in einem armen Dorf. Er galt als reich, denn er besass ein Pferd, mit dem er pflügte und Lasten beförderte.
Eines Tages lief ihm sein Pferd davon. Seine Nachbarn riefen, wie schrecklich das sei, aber der Bauer meinte nur: „Wer weiss?“
Ein paar Tage später kehrte das Pferd zurück und brachte zwei Wildpferde mit. Die Nachbarn freuten sich alle über sein günstiges Geschick, aber der Bauer antwortete erneut: „Wer weiss?“
Am nächsten Tag versuchte der Sohn des Bauern, eines der Wildpferde zu reiten. Das Pferd warf ihn ab und er brach sich beide Beine. Die Nachbarn bekundeten ihm alle ihr Mitgefühl für dieses Missgeschick, aber vom Bauer hörten sie wieder nur ein: „Wer weiss?“
In der nächsten Woche kamen Rekrutierungsoffiziere ins Dorf, um die jungen Männer zur Armee zu holen. Ein Krieg mit dem Nachbarkönigsreich bahnte sich an. Den Sohn des Bauern wollten sie nicht, weil seine Beine gebrochen waren.
Als die Nachbarn ihm sagten, was für ein Glück er hat, antwortete der Bauer: „Wer weiss?“
Eine Geschichte ist immer auch ein Angebot...
...in Resonanz zu gehen, neue Handlungsoptionen und Perspektiven zu entwickeln und sie in Beziehung zu eigenen Erfahrungen zu setzen. Sie wirken wie eine alternative Realität. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, aus den durch die Geschichte gemachten Erfahrungen, zu lernen. Geschichten können Gedankenbrisen auslösen. Gerne stelle ich dir meine Gedankenbrise zur oben aufgeführten Geschichte zur Verfügung:
Oft bewerten wir Situationen blitzschnell und unbewusst...
...und kategorisieren sie in gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm, Glück oder Unglück und fühlen uns als Opfer der Umstände. Diese Bewertung kann dich in deinem Denken, Fühlen und Verhalten einschränken. Das Streben nach angenehm empfundenen Gefühlen und das Abwehren von unangenehm empfundenen Gefühlen birgt die Gefahr, sich in Gefühle zu verstricken und in einem seelischen Ungleichgewicht festzustecken. Innere Verspannungen und ein Gefühl von Unzufriedenheit mit sich und dem Leben sind nicht selten die Folgen.
Es kann durchaus auch sein Gutes haben...
...wenn etwas nicht so läuft wie gewünscht. Sich immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass es immer die eigene Entscheidung ist, wie du darüber denkst, fühlst und wie du reagierst, kann hilfreich sein, sich nicht von gewohnten Mustern und Vergangenem leiten zu lassen. Das Hier und Jetzt wertefrei anzunehmen und achtsam innezuhalten, übt dich in Gelassenheit, um das zu akzeptieren, was gerade ist.
Dem Hier und Jetzt mit Gelassenheit zu begegnen...
...schafft wiederum innere Ruhe und Leichtigkeit. Dies hilft dir, über deine Handlungsmöglichkeiten nachzudenken, abzuwägen und bewusst, flexibel und angemessen zu reagieren. Kurz innehalten, bevor du eine Situation bewertest, schafft buchstäblich einen Raum für Flexibilität im Denken, Fühlen und Handeln. All dies unterstützt dich darin, dich mit deinen echten Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen zu verbinden, sie offen mitzuteilen und all deine Möglichkeiten und Ressourcen als erwachsene Person im Hier und Jetzt zu nutzen. Es schafft Vertrauen in dich, die anderen und in die Situation und unterstützt dich darin, anstehende Probleme mit Ruhe in Angriff zu nehmen, sozial verantwortlich und selbstbestimmt zu lösen und in ein seelisches Gleichgewicht zu kommen.
Diese Selbstbestimmung wird in der Transaktionsanalyse Autonomie genannt und umfasst drei Bereiche:
Bewusstheit
(Achtsamkeit, Wahrnehmen ohne Bewerten)
Spontaneität
(Flexibilität im Denken, Fühlen und Handeln, Reagieren auf die Welt im Hier und Jetzt, statt in «alte» Muster zu verfallen, die heute nicht mehr angemessen sind)
Intimität
(Beziehungsfähigkeit, authentische Begegnungen zwischen Menschen)
Jeder Mensch trägt das Potential in sich...
...sich Schritt für Schritt Richtung Autonomie zu entwickeln. Es ist kein Ziel, welches vollumfänglich erreicht werden kann, es ist ein lebenslanger, fortlaufender Prozess - hin zu mehr Zufriedenheit, Gelassenheit und Leichtigkeit im Leben.
Vielleicht verhilft dir diese Geschichte die nächsten Geschehnisse in deinem Leben so anzunehmen, wie es ist, ohne sofort eine Bewertung vorzunehmen. Vielleicht unterstützt dich diese Metapher, unter emotionalem Stress dein seelisches Gleichgewicht zu wahren, um in einer Situation deine Perspektiven zu erweitern und so mehr Ruhe, Zufriedenheit, Gelassenheit und Leichtigkeit in deinem Leben zu erfahren?
Wilma Thomalla pflegte zu sagen: Es sind nicht die äusseren Umstände, die das Leben verändern, sondern die inneren Veränderungen, die sich im Leben äussern.
In diesem Sinne wünsche ich dir...
...viel Mut für dein Innehalten vor deinem automatisch ablaufenden Bewertungsprozess – für mehr Ruhe, Gelassenheit und Leichtigkeit in deiner Übernahme von Verantwortung für die Art und Weise, wie du dich mit der Realität tatsächlich auseinandersetzt.
Herzlichst,
Antonia
Reflexions- und Übungsbox:
Reflexionsmöglichkeiten:
- Wann ist bei dir etwas nicht so gelaufen, wie gewünscht? Welche Denkgewohnheiten sind dabei wie automatisch im Zentrum deiner Aufmerksamkeit gestanden? Welche Gefühle wurden dabei ausgelöst und wie wirkten sich diese auf dein Erleben und Verhalten aus? Was hat sich im Nachhinein aus der Situation ergeben?
- Wie würdest du gerne beim nächsten Mal darüber denken, fühlen und handeln? Was könnte dir dabei im Wege stehen? Was müsstest du loslassen?
- Was könnte dich dabei unterstützen, bei nächsten Geschehnissen innezuhalten, den Impuls deines unbewusst ablaufenden Bewertungsprozess wahrzunehmen, um dann bewusst zu entscheiden, wie du denken, fühlen und dich verhalten möchtest? Was wäre dabei dein Gewinn?
Übungsmöglichkeiten:
- Nutze eine für dich geeignete Entspannungsübung, um deine innere Ruhe und Balance zu kultivieren, damit du sie auch in stressigen Situationen abrufen und einsetzen kannst. Dies übt dich in Gelassenheit. (z.B. Tiefenentspannungstechnik Yoga-Nidra.)
- Lenke immer wieder deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Du darfst dabei auch deine Augen schliessen. Dein gesamter Organismus versetzt sich in wenigen bewussten und tiefen Atemzügen in einen Zustand der Ruhe und lässt dich im Hier und Jetzt ankommen.
- Atme drei Mal tief durch, bevor du reagierst.
- Schreibe Tagebuch und reflektiere deinen Tag.
Gedankenbrise #2:
Diese Gedankenbrise ist noch am Entstehen...
Gedankenbrise #3:
Diese Gedankenbrise ist noch am Entstehen...